Alles bleibt anders – Neue Arbeit braucht neue Unternehmenskultur

In vielen Unternehmen hat die Corona-Pandemie lange gehegte Gewohnheiten herausgefordert – oder ganz über Bord geworfen. Dort, wo remote-Arbeit möglich war, mussten innerhalb weniger Wochen und Monate neue Routinen etabliert werden. Im Jahr drei der Pandemie ist klar: Ein Zurück zum Vorher soll, kann und wird es nicht geben. Aber auch ein reines “weiter so” ist keine nachhaltige Lösung. Vielmehr müssen Unternehmen jetzt gezielt ihre Kultur der Führung und Zusammenarbeit gestalten, damit die Arbeitswelt mit und nach Corona für sie zum Erfolgsmodell wird.

Es ist vielleicht symptomatisch, dass es eine Pandemie brauchte, um einige lange gehegte Dogmen der Arbeitswelt zu demontieren. Zwar beschäftigten sich Unternehmensführungen schon seit Jahren mit grundlegenden Veränderungen, doch bis zum März 2020 waren Modelle wie remote- oder hybrides Arbeiten alles andere als ein flächendeckendes Phänomen. So gaben etwa vor der Pandemie nur rund ein Drittel der Befragten der Deloitte Studie Human Capital Trends an, eine Umgestaltung der Arbeit zu planen. Zum Vergleich post-Corona: 2021 waren es bereits 61 Prozent.

Angesichts dieser lange gehegten Zögerlichkeit dürfte für die Verantwortlichen umso überraschender gewesen sein, wie gut die spontane Verlagerung der Arbeit in die privaten vier Wände funktionierte. Nicht nur im Hinblick auf Produktivität, sondern auch auf die Zufriedenheit der Arbeitnehmer:innen ist das Homeoffice ein Erfolgsmodell; das belegt eine Vielzahl von Umfragen, Studien und Untersuchungen, die in den vergangenen zweieinhalb Jahren zum Thema Arbeiten in der Pandemie entstanden sind.

So schätzen Angestellte neben dem Wegfall der Pendelzeiten und der besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie auch die eigenständigere, zeitlich flexiblere und konzentriertere Arbeit, die durch die räumliche Trennung von Kolleg:innen und Vorgesetzten möglich ist. Allerdings: Obwohl sich das Homeoffice überwältigender Beliebtheit erfreut, wollen die wenigsten Arbeitnehmer:innen ganz auf Präsenzzeiten im Büro verzichten. An bestimmten Tagen oder zu bestimmten Zwecken soll ein physisches Büro weiterhin zur Verfügung stehen.

Die unterschätzte Macht der Unternehmenskultur

Das hybride Arbeiten ist also gekommen, um zu bleiben – und mit ihm neue Formen der Zusammenarbeit und Führung. Diese Feststellung wirft für Unternehmen die Frage auf, wie ihr spezifisches post-Corona-Arbeitsmodell konkret aussehen soll: Wie können Büroräume so umgestaltet werden, dass sie eine produktive, gezielte Zusammenarbeit in Präsenz ermöglichen, etwa bei Brainstormings, Workshops und kreativen Arbeiten? Wie müssen interne Kommunikationskanäle und -medien angepasst werden, damit auch auf Distanz alle Mitarbeiter:innen mit den nötigen Informationen versorgt sind – sowohl mit fachlich-inhaltlichen wie auch Kontextinformationen? Welche neuen Formate des sozialen Miteinanders braucht es, damit sich Teams auch weiterhin als Teams wahrnehmen? Und: Wie gelingt Digital Leadership, also welche neuen Kompetenzen müssen Führungskräfte haben, um ihre Teams auch unter hybriden Bedingungen erfolgreich coachen und entwickeln zu können?

Diese und viele andere offenen Fragen gilt es zu klären, damit hybrides Arbeiten für Unternehmen zum Erfolg wird. Zum anderen muss auch aktiv an der Unternehmenskultur gearbeitet werden – ein Aspekt, der bei Transformationsprozessen traditionell unterschätzt wird. Denn wo Strukturen und Abläufe verändert werden, müssen auch die undokumentierten Prinzipien von Zusammenarbeit und Führung und des Umgangs miteinander in den Blick genommen werden: Die unausgesprochenen Gewohnheiten, Annahmen und Regeln, Denk- und Handlungsweisen, denen die Arbeit im Unternehmen folgt und die in hohem Maße beeinflussen, wie effektiv und effizient eine Organisation funktioniert – kurz: die Unternehmenskultur. Denn die Strukturen einer Organisation und die zugehörige Kultur stehen in einem gegenseitigen Bedingungsverhältnis: die Unternehmenskultur entwickelt sich meist über lange Zeiträume und in Abhängigkeit von vorstrukturierten Abläufen und Regeln des Unternehmens sowie den Menschen, die im Unternehmen arbeiten und die von den Strukturen sowohl angezogen als auch geprägt werden – und auf lange Sicht wiederum Einfluss darauf nehmen können.

Wenn Strukturen und Abläufe also geändert werden, wie im Fall der spontanen Umstellung auf hybrides Arbeiten unter dem Druck der Corona-Maßnahmen, muss auch die Unternehmenskultur aktiv weiterentwickelt werden, um eine Passung mit den neuen äußeren Strukturen zu gewährleisten – denn diese Passung ist ein maßgeblicher Faktor für den Erfolg eines Transformationsprojektes. Die Herausforderung besteht dabei darin, dass Unternehmenskulturen sehr persistent sind: So fällt es etwa Mitarbeiter:innen, die es über Jahre gewohnt sind, dass ihr:e Chef:in ihnen wortwörtlich über die Schulter schaut, bisweilen schwer, selbstverantwortliche Entscheidungen ohne ein „Go“ des oder der Vorgesetzten zu treffen; Mitarbeiter:innen, die es über Jahre gewohnt sind, sich an internen Prozessen zu orientieren, fällt es wiederum in der Regel schwer, in neu auftretenden Situationen zu improvisieren usw.

Um die richtigen Maßnahmen zur gezielten Weiterentwicklung der Unternehmenskultur zu ergreifen, kann ein Kulturaudit die richtige Ausgangsbasis schaffen: Dieser systemische Blick auf die Organisation in ihrer Gesamtheit gibt Aufschluss über das Geschehen und die Interaktionen im Unternehmen. Sie zeigt beispielsweise, welche Rolle Vertrauen und Sinn bei der Arbeit spielen, wie risikofreudig oder -avers die Mitarbeiter:innen sind und unter welchen Umständen Innovationen entstehen können, wie stark Hierarchien und interne Prozesse eine Transformation behindern oder fördern können – und nicht zuletzt, wie die Führungskultur beschaffen ist. Dieses wichtige Wissen ist die Basis für jede weitere Entwicklung der Kultur der Zusammenarbeit und Führung – hin zu einer Unternehmenskultur, die zu einer hybriden Arbeitsstruktur passt und deren Potenziale hebt.

Unternehmen tun folglich jetzt gut daran, die Corona-bedingte Transformation aktiv weiterzutreiben, um die Weichen für die Zukunft zu stellen und hybrides Arbeiten zum Erfolgsmodell zu machen. Dazu gehören neben Fragen zu Strukturen und Abläufen auch unbedingt Fragen zur Kultur von Zusammenarbeit und Führung. Die Erfahrungen aus der Corona-Pandemie können dabei durchaus motivierend sein: Oft lohnt es sich, Veränderungen voranzutreiben anstatt sie hinauszuzögern – dann sind positive Überraschungen möglich.

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...würde gern mal per Zeitmaschine in die Zukunft reisen, wird allerdings schon beim Tretbootfahren seekrank. Zum Trost stürzt er sich beherzt in die zukunftsrelevanten Themen: Nachhaltigkeit, Stadtentwicklung, Generationenwandel und Transformation der Wirtschaft.
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