Donald Trump signiert keine Bücher mehr

Trump-Bashing ist einfach. Kein Tag an dem sich Kritiker über sein schamloses, rüpelhaftes und nicht-politisch korrektes Auftreten beklagen. Und jede neue Grenzverletzung und Anstandslosigkeit verstärkt die Spirale der Erregung. Ein dauerhafter Ausnahmezustand. Aus Kommunikationssicht genial, oder? Wir baten den US Korrespondenten der Börsenzeitung, Stefan Paravicini, um eine Einschätzung.

Als Donald Trump Ende der achtziger Jahre um das wirtschaftliche Überleben kämpfte, ließ er nach einer Verhandlungsrunde mit Gläubigern einen Laufburschen mit einer Kiste voller Bücher antraben und begann die druckfrische Ausgabe seines Bestsellers „The Art of the Deal“ für die versammelten Banker und Anwälte zu signieren. So will es eine Anekdote, die man sich in New York erzählt. Die Gläubiger kamen zu dem Schluss, dass niemand besser als Trump selbst dafür geeignet sei, die Assets des von der Pleite bedrohten Familienunternehmens zu versilbern und hielten ihn trotz Schulden in der Größenordnung von 3 Milliarden Dollar über Wasser.

Donald Trump ist ein Überzeugungskünstler, selbst wenn es die Signierstunde mit den Gläubigern nie gegeben haben sollte. Über den kaufmännischen Erfolg des Self-Made-Milliardärs, der im November 2016 zum 45. US-Präsidenten gewählt wurde, lässt sich zwar ebenso streiten wie über die tatsächliche Höhe seines Vermögens, das von der Zeitschrift Forbes auf gut 3 Milliarden Dollar beziffert wird. Das Kommunikationstalent des Unternehmerpräsidenten, mit dem er sich über die Jahre auch in scheinbar ausweglosen Situationen immer wieder Handlungsspielräume eröffnet hat, steht dagegen selbst für die Beobachter außer Zweifel, die sich weder mit den politischen Inhalten noch mit dem Kommunikationsstil identifizieren können.

Beherrscht das Handwerk

Bereits während des Präsidentschaftswahlkampfs 2016 haben Kritiker aus der Kommunikationsberatungsszene eingeräumt, dass der unkonventionelle Kandidat ihr Handwerk beherrscht. Denn wie keinem seiner politischen Wettbewerber gelingt es Trump, sich auf Botschaften zu beschränken, die locker auf eine rote Schildmütze passen. Das Wahlkampfthema „Make America Great Again“ gehört dabei noch zu den ausführlichen Slogans. „Drain the swamp“ und „Lock her up“ lassen sich im Vergleich dazu leichter skandieren. „No collusion“ und „No obstruction“ lauten die wichtigsten Botschaften des Präsidenten angesichts der laufenden Untersuchung von Sonderermittler Robert Mueller, der Verbindungen von Trumps Wahlkampfteam nach Russland und mögliche Einflussnahme auf die US-Wahl vor zwei Jahren überprüft.

Der Umgang mit Muellers Untersuchung legt eine weitere Stärke von Trumps Kommunikationsstil offen. Denn der US-Präsident  wird nicht müde, seine Unschuld zu beteuern. „No collusion“ und „No obstruction“ heißt es bei jeder Gelegenheit – selbst wenn sich eigentlich gar keine Gelegenheit bietet. So nutzte Trump zuletzt auch den Bericht zu einer internen Untersuchung des FBI, der sich mit einem anderen Thema befasste, um sich öffentlich vom Verdacht der Kollusion mit ausländischen Akteuren frei zu sprechen. Die ständigen Wiederholungen sollen die Legitimation des Sonderermittlers untergraben. Dass Trump sich dabei wie stets völlig unbeeindruckt davon zeigt, ob die Fakten zu seinem Mantra passen, gereicht ihm im gespaltenen politischen Klima ebenfalls zur Stärke. Dabei hilft dem Präsidenten auch, dass er sich selten ertappen lässt, wie er sich auf überprüfbare Daten bezieht. „Many people are saying“, schickt der US-Präsident stattdessen gerne voraus und meint damit meist sich selbst oder einen Hitzkopf des rechtskonservativen Nachrichtensenders „Fox News“.

Als wahrer Könner im Kommunikationsfach erweist sich Trump auch dann, wenn er statt konkreter politischer Ergebnisse ein Gefühl unter das Volk bringt. Amerika könne beruhigt einschlafen, die Gefahr einer nuklearen Auseinandersetzung sei gebannt, ließ er nach dem historischen Gipfeltreffen mit dem nordkoreanischen Diktator Kim Jong Un in diesem Frühjahr in Singapur wissen. Mit den vagen Vereinbarungen des Gipfels schlägt sich seither US-Verteidigungsminister Mike Pompeo herum. Belastbare Ergebnisse der Annäherung zwischen den beiden Ländern sind nicht zu erkennen.

Kommunikative Durchschlagskraft

Es ist vor allem der Unterhaltungswert des US-Präsidenten, der ihn zu einem effektiven Kommunikator macht. Scott Adams, der Schöpfer der Comicfigur Dilbert, hält Trump für den witzigsten US-Präsidenten des modernen Zeitalters, auch wenn er kein Anhänger von Trumps Politik ist. Noch in hundert Jahren würden Experten die Mitteilungen des Präsidenten in den sozialen Medien untersuchen, erläuterte Adams in einem Gastbeitrag für das „Wall Street Journal“. Die teils wütenden Reaktionen auf den Artikel schienen den Humorexperten zu bestätigen, der die von Trump regelmäßig hervorgerufene Empörung unter seinen Kritikern als wesentlichen Bestandteil des Unterhaltungswerts seiner Tweets für seine Anhänger deutet.

Adams benennt damit einen entscheidenden weiteren Aspekt der kommunikativen Durchschlagskraft des US-Präsidenten: Die seit bald zwei Jahren mehr oder weniger pausenlos aufgebrachten Kritiker in den liberalen Medien lassen sich von Trump nämlich nicht nur ihre Rolle, sondern auch ihren Erregungszustand vorgeben. Gerät der Präsident in die Defensive, leistet er sich deshalb regelmäßig eine mit dem Amt schwer vereinbare Ungeheuerlichkeit, der die Nachrichtensender locker für 72 Stunden in Atem hält. Im Zeitalter der Trump-Show senden sie bis zu 20 Minuten Werbung pro Stunde und agieren gestützt auf einen kostengünstig produzierten Ereiferungsjournalismus wirtschaftlich äußerst erfolgreich.

 

Stefan Paravicini ist US Korrespondent der Börsenzeitung in New York.

 

Die liberalen Pendants zum stramm rechten Regierungssender Fox News, allen voran die von Trump als „Fake News“ denunzierten CNN und MSNBC, gehören deshalb längst zu den wichtigsten Verbündeten des Präsidenten, der heute um sein politisches Überleben kämpft. Mit ihrer maßlosen Kritik liefern sie Trump seit Monaten die besten Argumente, warum die Untersuchung des Sonderermittlers und die damit verbundenen Bestrebungen der Opposition für ein Amtsenthebungsverfahren einer „Witch Hunt“ gleichkommen, über die er sich seit Mai des vergangenen Jahres 120 Mal auf Twitter beschwert hat. Da Trump die sozialen Medien zu nutzen versteht, muss er längst keine Bücher mehr signieren, um seine Überzeugungskünste zu entfalten.

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