Ein Gesetz, das auszog, die Welt zu verändern, feiert Einjähriges.
Im März 2017 verabschiedete der Bundestag die CSR-Berichtspflicht, einen Monat später stimmte auch der Bundesrat zu und mit der anschließenden Unterschrift des Bundespräsidenten war „2014/95/EU“ erfolgreich in deutsches Recht überführt (CSR-RUG). Und seitdem?
Ein Jahr Berichtspflicht – ein Jahr Gemurre über den zusätzlichen Aufwand und die bürokratischen Belastungen für die Unternehmen, ein Jahr Klagen (der anderen Seite), das Gesetz springe viel zu kurz, Tiefe und Umfang seien nicht ansatzweise ausreichend, ein Jahr Verunsicherung und Vorantasten auf Seiten der Berichtspflichtigen und ihrer Begleiter, ein Jahr gemeinsames Zurechtruckeln.
Der Abschied von der Freiwilligkeit
Das CSR-Gesetz, genauer das CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz (CSR-RUG), und noch genauer das Gesetz zur Stärkung der nichtfinanziellen Berichterstattung der Unternehmen in ihren Lage- und Konzernlageberichten ist angetreten, sozial und ökologisch verantwortliches Unternehmertum in der Wirtschaft stärker zu verankern. Ein Schritt, so die Idee der Europäischen Union, um Corporate Social Responsibility (CSR) auf die Agenden der Unternehmen zu setzen. Und nicht zuletzt mit dem Ziel, den Lesern der Berichte mehr Informationen und Einblicke in unternehmerische Strategien, Risikoanalysen und Ressourcenmanagement zu geben, um diese bewerten zu können. Noch keine Revolution, aber doch der Beginn einer Entwicklung.
Direkte Auswirkungen hatte das Gesetz zunächst nur auf jene Unternehmen, die innerhalb der vom Gesetzgeber gezogenen Linien stehen. Diese 536 von Professor Bayer und Herrn Hoffmann in Zusammenarbeit mit der Hans-Böckler-Stiftung identifizierten Unternehmen in Deutschland sind alles andere als eine homogene Gruppe. Zwischen Vorreitern des Nachhaltigkeitsmanagements und einigermaßen ahnungslosen Anfängern gibt es alles. Solche, die bereits jahrelang berichten, integriert oder in einem eigenständigen Report, mit eigenen Nachhaltigkeitsabteilungen, fixen Prozessen und Strukturen und jene, die mit Nachhaltigkeit bislang nicht viel anzufangen wussten, weder personell noch strategisch oder emotional. Dementsprechend mannigfaltig ist der Umgang mit der Berichterstattung und groß die Varianz in der Qualität.
Was ist gut? Was muss besser werden? Und was kann weg?
Nun ist es für eine abschließende Bewertung nach nur einem Jahr natürlich zu früh. Insbesondere deshalb, weil die Berichte für das Geschäftsjahr erst jetzt veröffentlicht werden. Dennoch, einige Tendenzen lassen sich beobachten:
Der Weg des geringsten Widerstandes
Niemand sollte sich der Illusion hingeben, dass mit der gesetzlichen Anforderung auch eine nachhaltigere unternehmerische Ausrichtung, Ambition oder gar Idealismus gekitzelt werden. Ein großer Teil der Unternehmen hat mit geringem Aufwand den schlanken Weg der Erfüllung gesucht und gefunden. Gewonnen ist damit natürlich wenig. Weder im Sinne des Gesetzes noch aus Sicht der betroffenen Organisationen, deren geringem Aufwand nahezu kein Ertrag gegenübersteht, wenn der Berichtsprozess im luftleeren Raum stattfindet. Immerhin, zu dem Ergebnis kommen stichprobenhafte Untersuchungen, hat das Gesetz jedoch bei einigen Unternehmen zu einer höheren strategischen Relevanz und stärkeren Gewichtung von CSR geführt. Oder je nach Lesart schlicht zu der kapitulierenden Einsicht, dass CSR zwar ein Ärgernis sei aber eben ein unausweichliches Ärgernis.
Der Aufsichtsrat muss ran
Der Aufsichtsrat muss prüfen, ob die vorgelegten Inhalte stimmen und den gesetzlichen Vorgaben entsprechen. Dafür kann er auch externe Prüfer hinzuziehen, so oder so aber ist der Aufsichtsrat wesentlich näher am Geschehen dran und wird in die Verantwortung genommen. CSR rückt auch dadurch näher an „gute Unternehmensführung“ heran. Es ist davon auszugehen, dass es zukünftig auch formal Bestandteil von Corporate Governance werden wird. Die Herausforderung wird sein, Nachhaltigkeit dort nicht nur nebenanzustellen, sondern Zusammenhänge und Wechselwirkungen sinnvoll abzubilden.
Die Qualität der Daten ist ausbaufähig
Im Vergleich mit berichteten Finanzdaten hinkt die Qualität der nichtfinanziellen Berichterstattung noch deutlich hinterher – allein die Tatsache, dass wir von nichtfinanziellen Informationen sprechen, ist Teil des Problems. Das liegt auch daran, dass nachvollziehbare Standards fehlen (gemeint sind nicht Standards für die Berichterstattung, die gibt es), anhand derer die Leser die Qualität der Informationen einschätzen könnten.
Ausbreitung in konzentrischen Kreisen
Mittelfristig ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber den Kreis der berichtspflichtigen Unternehmen weiter ziehen wird. Momentan sind große, nicht börsennotierte Unternehmen mit erheblichen Einflüssen auf Gesellschaft und Umwelt außen vor. Man muss kein Prophet sein, um zu prognostizieren, dass die verpflichtende CSR-Berichterstattung hier nicht stehenbleiben wird. Und dass es nicht lange dauern wird, bis die berichtenden Unternehmen sich datenfordernd an Subunternehmer und Lieferanten wenden werden, um Anforderungen und Verantwortung weiterzugeben. Das geschieht bereits an vielen Stellen.
Und dann? Dann beginnt auch dort das gemeinsame Zurechtruckeln.
Klar ist, dass langfristig jene Organisationen im Vorteil sein werden, die im Bericht und vor allem im Weg zum Bericht unternehmerische Chancen für sich suchen, erkennen und nutzen. Gesagt ist das natürlich leicht, getan ist es schwerer. Aber wahr bleibt es dennoch.